Tag 8: Steinheim bei Hanau – Großwinterwinternheim (85 km)

Skyline Frankfurt
Skyline Frankfurt

Donnerstag, 9. Juli 2020

Kein Regen (und nur mäßiger Gegenwind)!

Fischreiher am Main

 Gegen 8.00 verlasse ich das sehr angenehme Zimmer in Steinheim: das ist eins von diesen modernen Fremdenzimmern, bei denen man eine Mehrzimmerwohnung umgebaut hat und an Tagesgäste vermietet. Der Zugang erfolgt mit Code, es gibt Küche und Gemeinschaftsbad, bei Problemen ist der Vermieter per Handy erreichbar. Schwierig für mich ist nur, dass auf diese Weise jede Art der Kommunikation ausfällt … .

Auf dem Weg dann Frühstück in einer Bäckerei:  das ist, da die Frühstücksbuffets Corona- bedingt abgeschafft sind, immer eine gute Alternative.

Grafittis am alten Mainhafen
Grafittis am alten Mainhafen

 Ich hatte befürchtet, dass der Weg an Frankfurt vorbei durch das Maintal zugebaut und hässlich sei – das ist zumindest im Osten der Metropole nicht der Fall: der Weg führt durch Wiesen, am Fluss entlang, sehr romantisch. Und plötzlich: die Skyline der Wolkenkratzer von Frankfurt. Beeindruckend. Wenn man näherkommt, kann man erkennen, dass die Stadt auch im Mittelalter erhebliche Bedeutung hatte: aber die an sich mächtigen Kirchtürme erscheinen winzig neben den Zeichen moderner Machtfülle. So wählt sich eben jede Epoche ihre eigenen Götter ….

leckere Pflaumen

Nach Frankfurt hätte ich die Karte genauer studieren sollen: dann hätte ich vorher gesehen, dass sich der Mainradweg ab jetzt durch alle nur möglichen Industriegebiete schlängelt: allen voran Hoechst- Sanofi, dann aber auch eine Menge anderer kleinerer Fabriken und Einkaufsmeilen. Etwas nervig. Jedoch finde ich Leckeres für mein körperliches Wohl: Brombeeren an der alten Mauer eines Fabrikgeländes, und dann liegen auf dem Weg haufenweise Pflaumen unter einem Baum: lecker süß ! Ich sammle für die Mittagspause. Fragt jemand: ‚was issen das ?‘- ‚Pflaumen !‘ – ‚Sehen aber komisch aus…‘. ‚Schmecken aber super…‘ -‚ nee, lieber nicht’… .

St. Stephan: Glasfenster von Marc Chagall

Der Weg selbst wird erst wieder schön ab der Mainmündung kurz vor Mainz- Kastel und schon bald fahre ich über die Rheinbrücke zur Besichtigung von Mainz. Der Kontrast der leicht und fast verspielt wirkenden Bürgerhäuser der Stadt am Rhein mit den umliegenden Weinbergen im Vergleich zu den hessischen Städten der letzten Tage ist frappierend. Ich besichtige den Dom, dessen wuchtige Romanik ich beeindruckend finde, wenn mich auch die barocke Innenausstattung wieder überhaupt nicht anspricht. Zeitgeist?

Umso mehr faszinierend sind die von Chagall gestalteten Fenster der Kirche St Stephan: die persönliche Bekanntschaft des damaligen Pfarrers mit dem Künstler hat zu diesen wahnsinnig schönen Fenstern geführt.

Um zu meinen Freunden in dem kleinen Weinort Großwinternheim zu kommen, nehme ich den direkten Weg, 17 km, über den kräftigen Anstieg am Lerchenberg (statt der 35 km am Rhein entlang). Ich glaube, der Weg war für mich keinesfalls schneller…. . Am Abend dann leckeres Essen mit Spundkäse, Backofenkartoffeln und Gemüse in Kombination mit netten Unterhaltungen. Ein gutes Ende meiner Tour durch die Mitte Deutschlands.

Morgen geht’s dann mit dem Zug nach Hause – Nadya und Peter fahren erst zum Abend ins Rheinland.

 Fazit:

 1. Es fährt sich deutlich angenehmer von West nach Ost.

 2. Zu behaupten, dass durch Corona deutsche Urlaubsgebiete überfüllt seien, wäre eine absolute  Verkehrung der Tatschen- nie war es einfacher, Unterkünfte kurzfristig zu bekommen

3. Noch nie habe ich so wenig Menschen auf einer Tour kennengelernt wie diesmal . Corona ?

4. Hessen und das angrenzende Thüringen sind unbedingt eine Reise wert.

5. Die Bahntrassenwege in Hessen sind genial!

Tag 7: Gedern – Steinbach bei Hanau (65 km)

Storche
Storchennest

Mittwoch, 8.Juli 2020

… wenigstens glatt und bergab!

Nein, der Wetterbericht hat sich nicht getäuscht. Beim Aufwachen höre ich den Regen auf die Zeltplane prasseln – was mir dann definitiv jede Lust am Aufstehen nimmt. Ich kuschele mich in meinen Schlafsack, lese etwas, döse rum – es hilft alles nichts: der Regen wird nicht weniger. Also Aufstehen, Satteltaschen packen, Zelt abbauen – ich fange jetzt schon an nass zu werden. Dann versuche ich ein ausführliches Frühstück in einer Bäckerei am Ort – es hilft alles nichts- es regnet weiter ! Also dann: In Goretex eingepackt fahre ich die Bahntrasse weiter – glücklicherweise mit deutlich weniger Wind und meist bergab. Langsam ändert sich die Landschaft, das Tal wird weiter – der Regen bleibt. Trotzdem schaue ich mir mir Ortenberg an, bewundere die Fachwerkhäuser und radele dann langsam weiter.

Ortenberg

Zeitweise kreuzt meine Route interessante Wanderwege: den Bonifatiusweg, den Jakobsweg. Inzwischen ist Feuchtigkeit in meinem Fotoapparat, das Smartphone (GPS) streikt und ich bin trotz Goretex bis auf die Haut nass. Ich konnte, bis gar nichts Elektronisches mehr funktionierte, gerade noch ein B&B bei Hanau buchen. Dann hatte ich aber erhebliche Mühe, mich so ohne Karte durch die Stadt durchzuschlagen, um das Haus überhaupt zu finden. Aber die Unterkunft ist gut und das indische Abendessen auch. Morgen geht’s dann  Main und Rhein entlang zu Nadya.

Tag 6: Fulda- Gedern (95 km)

Schlitz
Lauterbach

Dienstag, 7. Juli 2020

Heute Morgen bin ich nach einem leckeren Frühstück in einer Bäckerei zunächst die Fulda flussabwärts geradelt. Der Radweg heißt „Fuldaradweg“ – ganz wichtig – nicht: Fuldatalradweg. Die kleinen 3 Buchstaben machen den ganzen Unterschied. Der Weg läuft manchmal am Hang, manchmal im Tal entlang und generiert infolgedessen die entsprechenden Steigungen.

Blick zurück auf Fulda
Blick zurück auf Fulda

Nach Besichtigung des kleinen Fachwerkstädtchens Schlitz nehme ich die Bahntrasse der ehemaligen Ortenberg -Bahn über die Rhön. Wenn ich auf einer Bahntrasse, die ja nie eine Steigung über 2,5% hat, nur 12 km/h bergauf und mit viel Treten 18km/h bergab fahre, bedeutet das entweder, dass ich total schlecht in Form bin, oder sich der Wind doch nicht gelegt hat…

Und besonders frustrierend : fast alle (!) überholen mich. Umkehrschluss- fast alle fahren E- Bikes (oder sind besonders fit).

Warum fahre ich eigentlich kein E- Bike ?

Ok, das diskutieren wir jetzt nicht aus, meine Zunge hängt mir auch viel zu sehr aus dem Hals….

die Bahntrasse der Ortenberg -Bahn

Auf der Weiterfahrt komme ich noch durch das pittoreske Lauterbach, bemerke den höchsten Punkt der Bahnlinie bei Hartmannshain auf 581 m – und dann kommt die absolut geniale Abfahrt: meist im Wald und deswegen ohne Gegenwind: ca. 20 km lang !!!

Ich habe mir Gelden als Übernachtungsort ausgeguckt, weil die Entfernung stimmt und es hier vor allem einen See mit Camping gibt: so komme ich zum Schwimmen im See (wie in Bütgenbach) und außerdem habe ich das Zelt nicht völlig umsonst mitgenommen. Ich dachte nämlich, dass in diesem Jahr alle Menschen in Deutschland Urlaub machen, und es deswegen furchtbar voll werden würde… . Fehleinschätzung- es ist leerer als sonst, allenfalls machen mehr Leute Tagesausflüge. Meines Erachtens haben vor allem alle ihr Urlaubsgeld in E- Bikes gesteckt….

Übernachtung dann auf dem Camping am Gederner See:
Schwimmen inclusive !

Der Wetterbericht für morgen ist nicht sehr verheißungsvoll – aber manchmal täuschen die sich auch, oder ?

Tag 5: Philippsthal- Fulda (85 km)

Dom zu Fulda
Dom zu Fulda

Montag, 6. Juli 2020

Riesenfrühstück heute Morgen: die Wirtin in dem kleinen Hotel in Phillipstal meinte es gut mit mir und hat damit auch gleich das Mittagessen gesponsert. Am Buffet hätte ich mich niemals in dieser Form bedient, aber die sind ja durch Corona verboten, und was auf dem Tisch ist, muss nachher ja sowieso weg… .

Danach bin ich das Ulstertal (immer noch in Thüringen) hochgeradelt. Bei der Landschaft könnte ich auch in der Eifel sein – alte Vulkangebirge sehen sich halt ähnlich. Das Ulstertal liegt übrigens nicht in Nordirland – aber der Name hat was damit zu tun: irische Mönche kamen im 7. oder 8. Jahrhundert in die Gegend und haben den Fluss nach ihrer Heimat benannt.

Milseburgradweg mit Blick auf die (den ?) Milseburg u nd die Kuppenrhön

Kurz hinter dem kleinen Örtchen Thann beginnt dann der Milseburg-Bahntrassenradweg nach Fulda: ein ganz toller Weg über die Kuppelrhön, der die obersten 200 Höhenmeter durch einen fast 1,5 km langen Tunnel umgeht. Die Trasse führt unter dem (oder der ) Milseburg durch: das ist ein ganz markanter Berg, der schon in keltischer Zeit besiedelt war und auf dem noch Reste der breiten Schutzwälle dieser Siedlungen zu sehen sind: aber wie gesagt, die letzten 200 Höhenmeter habe ich mir geschenkt…. . Hinter dem Bergbahnhof ging es glücklicherweise mit deutlich weniger Gegenwind immer bergab nach Fulda.

Wie unterschiedlich Universitätsstädte sein können: während ich in Marburg pulsierendes studentisches Leben gespürt habe, fühlt sich hier alles härter und steng an. Oder liegt es nur daran , dass ich den dominanten „Hohen Dom zu Fulda “ im Barockstil nicht mag ?

im Schlossgarten in Fulda

Der Schlossgarten ist aber schön und belebt, und die alte karolingische Rundkirche St. Michael neben dem Dom unbedingt sehenswert und inspirierend. Aber trotzdem … der Funke springt bei mir nicht über. Mein AIRBNB liegt etwas außerhalb und ich fahre abends noch mal sehr schön entlang der Fulda in den Ort. Ich esse in einem chinesischen Snack (übrigens sehr lecker) – aber auch, weil mich keins der „richtigen“ Restaurants wirklich anspricht. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Maskenpflicht hier deutlich strenger genommen wird, als auf den bisherigen Stationen meiner Tour (einschließlich meiner Zimmerwirtin: so kommt sicher kein Gespräch zustande… ) .

Michaelskirche – mit einem Oktogon wie im Aachener Dom !

Morgen früh fahre ich dann weiter – zunächst nach Norden die Fulda entlang und dann weiter über die Rhön Richtung Westen. Der Gegenwind soll ja etwas abnehmen!

Tag 4: Eisenach – Philippsthal (60 km)

Sonntag, 5. Juli 2020

Heute ist Sonntag. Nach gemeisamem Frühstück bin ich bin mit Peter, der im Kirchenchor singt, zur Messe gegangen: Ich war schon ein wenig erstaunt, im ehemaligen Osten eine so lebendige Gemeinde zu sehen : bunt gemischt – einschließlich Kindern und Jugendlicher. Peter meint, es wären in den letzten Jahren weniger Jugendliche geworden, aber das ist Klagen auf ziemlich hohem Niveau…. Aber auch hier gibt es keine jungen Pfarrer.

Lauchröden
Lauchröden

Ich bin dann um 12.00 losgefahren, um das Werratal hinaufzuradeln: zunächst ging der Weg 25 km zurück bis Gerstungen.  Da ich eime andere Route gewählt hatte als am Vortag, war es trotzdem überhaupt nicht langweilig. Vorbei wieder an kleinen Fachwerk- und Dorfkirchen, deren originelle Architektur z.B. als Rundkirchen den Einfluss der Reformation zeigt: wichtig sind Verkündigung und Predigt durch den Pastor inmitten der Gemeinde: deswegen sind die Sitzreihen eher wie im Theater und nicht wie in einer klassischen Kirche angeordnet.

Das Werratal zwischen Gerstungen und Vacha ähnelt der Industrielandschaft im Norden Frankreichs: kleine Dörfer mit riesigen Abraumhalden. Dort Kohle (schwarz) und hier Kali (weiß). Wobei ich finde, dass diese steilen weißen Halden, die das Niveau der umliegenden Hügel deutlich überragen, noch seltsamer in der Landschaft aussehen als die Relikte des Kohlenbergbaus (oder bin ich die aus dem Ruhrpott nur mehr gewöhnt?)

Der heutige Radtag ist fies anstrengend: es herrscht ein stürmischer Gegenwind, der mich sogar bergab kräftig treten lässt. So habe ich nach den knapp 60 km das Gefühl, den ganzen Tag bergauf gefahren zu sein und bin dementsprechend platt. Darüber hinaus sind meine Lippen trocken und aufgesprungen – was ich auch aufdie hohen weißen Salzberge zurückführe… Übernachtung in einem kleinen Hotel in Philippsthal und Abendessen in einer Pizzeria im Schloss – nettes Ambiente, aber auch heute wieder nur wenig Begegnungen und Gespräche auf dem Weg. Ich denke schon, dass das mit Corona zusammenhängt….

Tag 3: Bad Hersfeld – Eisenach (75km)

Wartburg
Wartburg in Eisenach

Samstag, 4. Juli 2020

Jugendherbergen in Corona – Zeiten: das bedeutet, dass ich in der riesigen JH fast alleine bin. Gespenstisch – und ohne den Hauch einer Chance mit Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen, da das Früstück am Tisch serviert wird (in einer JH!) – und der einzige weitere Einzelwanderer an einem Tisch am anderen Ende des Saales platziert worden ist…

die Fulda

Heute geht’s nach Eisenach: Dort habe ich mich heute Abend bei Peter, einem Wanderbekannten vom Eifelsteig angemeldet: er will mir auf den letzten Kilometern mit dem Rad durchs Werratal entgegen kommen.
Bis Bebra radele ich angenehm flach durchs Fuldatal und dann (so dachte ich) flach weiter in der Nähe der Bahnlinie. Die Bahn verläuft auch  wirklich flach…. Nur der Radweg nimmt – wie schon in den letzten Tagen –  jeden Hügel und jede Bodenwelle mit, so dass der Schwung nie ausreicht und ich ohne Ende schalten muss. Wie hat Peter gesagt? „pass auf, der Weg von Bebra aus zieht sich…“ – wie recht er hat … . Aber die Landschaft hier in Waldhessen ist traumhaft schön: kleine Dörfer mit schiefergedeckten Kirchtürmen, Felder… nur: welche jungen Leute wollen das weiterführen ? Die geschlossenen Geschäfte in den Dörfern lassen ahnen, dass es da ein Problem gibt. Vor allem, diese Art der Landschaft ist eine Kulturlandschaft:  wenn niemand die Felder bestellen würde, sähe es hier ziemlich anders aus.

Kalihalde
bei Großensee und Kleinensee:
mit den Abraumhalden auf der thüringischen Seite

Bei einer kleinen Bergabfahrt  dann der Kulturschock: wie aus dem nichts – ich bewundere noch die kleine idyllische Kirche – ein riesiger weißer, sicher 300 m hoher steiler Berg: Kaliabraumhaden. Ich bin in Großensee, direkt an der ehemaligen DDR Grenze. Auf dem Weg nach Kleinensee auf thüringischer Seite komme ich an den Resten von Zaun und Mauer vorbei ( ja, die gab’s nicht nur in Berlin) und sehe an den beiden Ortsteilen den scharfen Kontrast bäuerlicher Ortskultur im Westen und Industriesiedlung auf der Ostseite… Eigenartig. 

inner deutsche Grenze Großensee/ Kleinensee
die frühere innerdeutsche Grenze bei Großensee:
mit Todesstreifen, Stacheldrahtzaun und Mauer-
wie in Berlin
Karte des innerdeutschen Grenzverlaufs

< KOMMENTAR nach Ende der Tour: so kann der erste Eindruck täuschen: ich habe beim Erstellen meines Fotoalbums eine alte Karte studiert: der Ort mit der kleinen Kirche bei der Bergabfahrt ist Großensee und liegt als Fast- Enklave in Thüringen- also der ehehmaligen DDR. Kleinensee ist ebenso eine Fast – Enklave und lag in der BRD in Hessen. Und der ,,scharfe Kontrast“ bestand alo nur in meiner vorgefassten Meinung…..>

In Eisenach nach der dringlich notwendigen Dusche dann Stadtbesichtigung inclusive Wartburg – Besteigung: Ich habe erst da erfahren, dass die Burg im 19. Jh aus Ruinen im Stil einer idealisierten mittelalterlichen Burgenromantik wieder aufgebaut wurde. 

Peter aus Eisenach

Am Abend gab’s eine leckere Gemüsepfanne bei Peter und seiner Freundin. Gelungener Abend. Lieber Peter – falls du das liest: vielen Dank für die Gastfreundschaft !

Tag 2: Marburg- Bad Hersfeld (120 km)

Die Ruine der Benediktinerabtei ind Bad Hersfeld
heute Ort der Festspiele

Freitag, 3. Juli

Bei der Routenplanung hatte ich gesehen, dass mit wenigen Ausnahmen der heutige Tag keine nennenswerten Anstiege zeigt – und so hatte ich mich für diese schon recht lange Etappe entschieden.Falsch gedacht .. Denn – was die App nicht zeigte: es ging auf der Hälfte des Weges immer wieder abrupt 20-30 Höhenmeter hoch und wieder runter und darüber hinaus teilweise über Schotterwege: total anstrengend und zermürbend.

Schloss Amöneburg – wie ein Brocken in der Landschaft
(warum musste ich da eigentlich hoch ?)

Und zu Beginn musste ich ja unbedingt zum Schloss Amöneburg hoch- so steil, dass ich zuletzt schieben musste – das hat tierisch viel Kraft gekostet…. (und es hat sich mit Ausnahme einer tollen Aussicht nicht wirklich gelohnt!). Danach ging es über einen der hessischen Radfernwege u.a. durch Stadtallendorf: über der Stadt hängt eine Übelkeit erregende Wolke aus süßem Geruch (Ferrero) und verbranntem Gummi ( Fritzwinter- ein Automobilzulieferer). In dem Viertel, in dem es am schlimmsten stinkt, wohnen nur Türken – und in der Bäckerei gibt es keine belegten Brötchen sondern nur Pide und türkisches Honiggebäck (allerdings sehr lecker). Gerade zum richtigen Zeitpunkt habe ich dann kurz bevor ich total k.o. war Mittagspause in Treysa gemacht: neben einem kleinen Markt, auf dem ich lecker süße Kirschen und wahnsinnig aromatische Tomaten gekauft habe,  fand ich zufällig eine romantische Ruine einer Klosterkirche im Zentrum des Ortes. Danach waren die Lebensgeister wieder geweckt und ich habe mich an die letzten 60 km auf dem Rotkäppchen-Radweg gemacht:

Bahntrassenradweg Rotkäppchenweg von Treysa ins Fuldatal

langamer Anstieg  über 20 km und  250 Höhenmeter und dann das gleiche bis Bad  Hersfeld wieder bergab, zuletzt im weiten, einfach zu radelnden Tal der Fulda.  Dort habe ich ein Bett in der JH ergattert (ich glaube, ich bin fast der einzige Gast und musste mich mit Händen und Füßen wehren, um kein Einzelzimmer nehmen zu müssen (für den Preis hätte ich sonst auch ein ordentliches Hotel bekommen). Jetzt sitze ich beim Chinesen, gucke mir gleich noch etwas den Ort an und habe mich morgen in Eisenach bei einem Bekannten, den ich auf den letzten Etappen des Eifelsteigs kennengelernt habe eingeladen . Es  sollen morgen (nur) 70 km sein….
Aber seit heute weiß ich ja, das die Kilometerangaben durchaus täuschen können…

Tag 1: Herborn – Marburg (60 km)

Elisabethkirche in Marburg

Donnerstag, 2. Juli 2020

Das fängt ja genial an : Schienenersatzverkehr (Fahrräder verboten ) zwischen Aachen und Langerwehe. Also habe ich Paul gebeten, mich morgens nach Langerwehe zum Bahnhof zu fahren. Da angekommen, erfahre ich, dass mein Zug nach Marburg erst von Düren aus fährt. Der war dann natürlich gerade weg, als wir 15 Minuten später dort angekommen sind. Mit dem nächsten Zug hätte sich meine Ankunft in Marburg kräftig in den Nachmittag verschoben: zu spät für Besichtigungen vor Beginn der Radtour. Die Lösung brachte dann eine Gruppe von Radwanderen, die einen anderen Zug mit Endpunkt in Bad Laasphe herausgesucht hatte: 50 km Radtour bis Marburg – ideal !! Ich bin dann in Siegen blind mitgerannt (3 Minuten Umsteigezeit), um festzustellen, dass wir alle im falschen Zug gelandet sind. Puuuh !!

Auenlandschaft im Aartal bei Herborn

Wir sind dann spontan statt in Gießen schon in Herborn ausgestiegen, um von dort aus (jeder für sich, ich habe die Gruppe nicht wiedergetroffen) durch ein idyllisches Tal mit Auwiesen zur Aartalsperre zu gelangen, und dann weiter durch kleine Dörfer langsam zur Lahn runterzufahren. Ungewöhnlich ist die Menge der befestigten kleinen Wehrkirchen in den Dörfern: das muss schon im Mittelalter und dann besonders seit dem 30-jährigen Krieg eine sehr umkämpfte Region gewesen sein – und sei es nur als Durchmarschgebiet aller möglichen Armeen Europas (Schweden, Franzosen …). Angekommen in Marburg wollte ich eigentlich auf dem Zeltplatz übernachten: das ist dann daran gescheitert, dass ich erst ab 8.00 (ohne Frühstück) hätte auschecken können…. Definitiv zu spät für die morgendlichen ca. 100 km. Also schlafe ich in einem netten Hostel im Bahnhofsgebäude und esse gerade einen leckeren studententypischen Nudelauflauf in der Altstadt von Marburg. Es hätte mir sicher auch gefallen, hier zu studieren: nette alte Uni, tolle Altstadt, viel los, chillen am Lahnufer und viel Natur rings herum. Nur: Marburg mit dem Fahrrad ist eine Herausforderung: die Altstadt besteht aus gaaaaaanz vielen Treppen … und für Weicheier (auch für mich ) gibt es einen öffentlichen Aufzug vom Flussniveau in die Altstadt. Leider hat die geniale frühgotische Elisabethirche, Endpunkt diverser Walfahrtswege zur Hlg. Elisabeth schon ab 17.00 geschlossen und öffnet erst um 10 Uhr wieder (wie so viele, jetzt evangelische Kirchen hier in Hessen). Ich muss den Pilgerweg also doch einmal richtig  wandern … . Morgen begebe ich mich dann (grob dem  Elisabetpfad in umgekehrter Richtung folgend) so peu à peu auf den Weg nach Eisenach.

🚴 Juli 2020: Quer durch Hessen und Thüringen

Corona… ganz Deutschland macht Ferien im Inland und fährt in die Alpen oder ans Meer. Gibt es eine bessere Gelegenheit, um die unbekannten deutschen Mittelgebirge kennenzulernen? Eine spannende Tour über Radfernwege und lange Bahntrassenradwege von der Lahn zur Werra und über die Rhön zum Main!

Den Blog schreibe ich meist während der Tour : abends, wenn ich aufs Essen warte, vor dem Einschlafen oder nachmittafs auf der Hütte. Blogs gibt’s also meist dann, wenn ich solo unterwegs bin. Manchmal ist das Netz so schlecht, dass ich den Blogtext nur in Word schreiben kann und auf einen der nächsten Abende mit besserem Internet warte – manchmal schaffe ich es aber sogar, die Bilder auch schon zeitnah hochzuladen. Auf jeden Fall liefert der Blog die aktuellsten Impressionen- es ist eben das Reisetagebuch

Die Powerpoint erstelle ich später zu Hause: da suche ich die Hintergrundinfos zu den besuchten Orten heraus, erkläre Zusammenhänge und Details und stelle meine Fotos zusammen. Die Quelle zu den Texten bilden dabei Bücher, Wikipedia, Infos der Touristenbüros aber auch andere Internetseiten. Vor allem aber versuche ich mit etwas Animation die Bilderfolge interessanter zu gestalten.

Die Diashow ist im Pinzip die abgespeckte Variante der Powerpoint. Vor allem gedacht für einen kurzen Überblick. Auch wenn ihr den Download der Powerpoint scheut oder keinen Viewer habt, kommt dieser Weg infrage

Karte und Track der Radtour

…mehr Infos zu Wegbeschaffenheit und Höhenprofil ?

Tag 3: Von Teruel nach Sagunt und mit dem Zug zurück nach Valencia

9. November 2016

Es wird um 7.30 hell:  Die heutige Etappe wird lang – von Teruel bis Sagunt sind es 140  km – also ist frühes Aufstehen angesagt. In Spanien frühstückt man morgens in der Bar- und um 7.30 sind diese schon gut besucht. Auf den Fernsehbildschirmen flimmern die Nachrichten: Dieser komische Donald Trump ist Präsident in den USA geworden. Nach allem was ich in den letzten Woche über den gehört habe bin ich total schockiert – ich versuch das mit meinen paar spanischen Brocken anderen Leuten in der Bar mitzuteilen – aber niemand hier scheint diese Nachricht so wichtig zu finden. Vielleicht spinne ja auch ich, vielleicht ist das gar kein Problem ? (obwohl: wenn ich die Cartoons in den amerikanischen News auf dem Smartphone ansehe – die sind mindestens so skeptisch wie ich, mal abwarten…)

Hochebene auf 1200m bei der Passhöhe von Puerto Escandon

In der Bar nehme ich wie immer Milchkaffee und Croissants und dann gehts los: zunächst mal leicht ansteigend 30 km bergauf zur Passhöhe bei Puerto Escadón auf 1200 m (Teruel liegt auf 900 m im Tal). Da trage ich dann wieder T- Shirt, Pulli, Anorak und Warnweste übereinander – nicht weil hier irgendwelche Autos fahren, sondern weil es einfach wärmer ist… . Aber dann gehts den Rest des Tages sukzessive abwärts zum Meer – und  so steigen langsam die Temperaturen und ich kann mich meiner Zwiebelschalen entledigen…. . Es ist spannend, die unterschiedlichen Vegetationsstufen auf dem Weg zu beobachten: auf der Passhöhe  wenige krüpplige Kiefern , etwas Ackerbau. Weiter unten dann Olivenhaine und noch weiter zum Meer hin zuletzt Orangengärten.

der maurische Turm in Jerico, 12. Jh

Weit sichtbar der Turm von Jerico – und der Radweg führt fast direkt daran vorbei: Der Turm stammt aus dem XII Jh. aus arabischer Zeit- wie ganz viele Bauten hier in der Gegend.

Die ganze Zeit läuft parallel zu dem Bahntrassenradweg die – Bahn. Was für ein Wahnsinn: da wurde eine Zechenbahn auf eigenen Schienen mit eigenen Tunneln, eigenen Viadukten und eigenen Bahnhöfen in nur wenigen Metern Abstand zur staatlichen Eisenbahn gebaut… . Und außerdem noch die Landstraße und neuerdings die Autobahn. Lärm ? Fehlanzeige. Die Straßen – einschließlich der Autobahn – sind wahnsinnig leer:  mir sind auf dem ganzen Weg  vier Radfahrer begegnet  (und die auch nur auf den letzten 30 km ), und auch auf den kurzen Strecken, die über Straßen führten, gab es kaum mal ein Auto. Und von den drei Zügen pro Tag hatte ich ja schon erzählt…

und in der Nähe des Meeres dann Orangengärten !

Da ich immer wieder zum Fotografieren angehalten habe, bin ich erst um 17.30 in Sagunt angekommen: etwas spät, so dass ich , um nicht im Dunkeln fahren zu müssen, dann für die letzten 30 km nach Valencia die Bahn genommen habe. Ansonsten hätte ich den Rest gut noch radeln können: 110 km bergab sind nicht wirklich anstrengend… . Fazit: tolle Tour – Empfehlung zum Nachfahren – vielleicht im Rahmen eines Kurztrips nach Valencia?