🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 19

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Rückflug aus Riga

Samstag, 9.August 2025

Was wollen wir an unserem Tag in Riga unternehmen? Wir denken an alles mögliche: Museen, Baden im Meer, das Freilichtmuseum, da der Flug ja erst um 19.40 losgeht….

Aber zunächst einmal Frühstück: das gab es – wie meist hier im Baltikum – mal wieder aus der Tupperdose. Unsere Pension selbst ist sehr schön und persönlich eingerichtet, mit hohen Räumen und gut ausgestatteter Gemeinschaftsküche – wir könnten also auch selbst kochen …..
Ich frage mich, ob diese tollen Häuser, in denen Zimmer vermietet werden, nicht in Wirklichkeit ( d.h. im Winter) Einfamilienhäuser oder Wohnungen sind, aus denen die Familie für die lukrativen Sommermonate auszieht…. Auf der Hinreise hatten wir einen Mitbewohner im Hostel, der uns von seiner Wohnung genau das berichtete.

Dann stromern wir auf unseren Rädern etwas durchs Zentrum und kommen zufällig an einer Kirche vorbei (Marienkirche), in der gerade ein Gottesdienst beginnt. Unschwer zu erkennen: katholisch. Angezogen von den slawisch anmutenden Gesängen gehen wir rein und feiern die Messe mit. Eigenartig – es wird eine tridentinische Messe gefeiert (also kehrt der Priester der Gemeinde beim Hochgebet den Rücken zu). Ich gehe zur Kommunion und sehe mit Erschrecken Kommunionbänke mit Mundkommunion. Das ist überhaupt nicht meins ! Ich halte die Hände hin und der Priester verwehrt mir die Kommunion. Das Machtspiel beginnt. Ich sage, ich sei katholisch, käme aus Deutschland – aber das hilft nicht. Ich könnte aufstehen und unter Protest gehen – aber das finde ich in der Situation auch nicht adäquat. Also hat er sich durchgesetzt …. aber so was ist mir noch nie passiert. Toleranz ist was anderes. .. Beim Rausgehen gucke ich nochmal genauer hin: es war wirklich eine römisch- katholische Kirche ….


Wir fahren danach etwas mit den Rädern die Daugava entlang, den Fluss der bei Riga ins Meer mündet, und essen später zu Mittag (lettisch: schwarze Erbsen mit Speck, Zwiebeln und Griebenschmalz. Mächtig und lecker. Dagmar: Pasta mit Gemüse).

Zum Nachmittag noch ins Jugendstilmuseum, das eine typische Wohnung zu Beginn des 20. Jhs im entsptechenden Stil zeigt – immerhin gibt es nirgendwo in Europa so viele erhaltene Jugendstilhäuser in einer Stadt wie hier in Riga.


Dann geben wir die Räder ab, packen allen unseren Kram in die riesige Reisetasche und fahren mit dem Bus zum Flughafen.

Unproblematischer Flug und fast unproblematische Rückfahrt mit der DB ( nur 30 min Verspätung… ). Mit Andrea als Chauffeur sind wir gegen 23.00 in Kelmis. Dagmar hat‘s noch etwas weiter und nimmt morgen früh den Zug zurück nach Bremen.

Fazit:
ich habe viiiiel zu viel mitgenommen: Ich habe die Zelte, die Isomatte, den Schlafsack, den Wasserfilter, den Wasserschlauch, die Stirnlampe, das ärmellose T- Shirt, den Buff, den Kocher, die große Powerbank, das Tablet nicht gebraucht….. wie schön leicht wäre das Rad ohne dieses nutzlose Gepäck gewesen ????

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 18

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Busfahrt von Tartu nach Riga

Freitag, 8.August 2025

Heute Morgen konnten wir es geruhsam angehen lassen. Unser Bus zurück nach Riga fährt  erst gegen 11.00, so dass wir genügend Zeit zum Frühstücken und zum Packen haben, und  ich sogar jetzt mit meinem Blog up-to-date bin. Die Lux Busse sind wirklich eine exzellente Alternative zur Bahn: wir sind in 4 Stunden in Riga. Mit dem  Zug hätten  wir (unterschiedliche Spurweite) erst mal in Valga Aufenthalt  gehabt und deutlich länger gebraucht.

Im Zug habe ich Zeit, die Radtour Revue passieren zu lassen: Es ist uns gelungen, sehr unterschiedliche Teile des Landes zu sehen  – von meiner Idee, alle Regionen zu bereisen, musste ich allerdings aus Zeitmangel Abstand nehmen.

Die Esten: wirklich schlechte Erfahrungen haben wir nicht gemacht. Allerdings finde ich es zumindest ungewöhnlich,  wenn man auf dem Land – zu Fuß oder mit dem Rad –  jemandem begegnet, sich nicht zu grüßen. Das ist hier offensichtlich nicht üblich. Eigenartig. Auch an den Supermarkt- Kassen gab es weder Grußformel noch  besondere Freundlichkeit ….(Ausnahme: Tartu).

Mit dem Wetter haben wir Riesenglück gehabt: die ersten Tage war knalle Sonne, teilweise so warm, dass wir nachts Mühe hatten einzuschlafen. Erst in der zweiten Hälfte der Tour wurde es wolkig und es kam meist nachmittags und nachts zu heftigen Gewittern. Nur jetzt in Riga regnet es …

Hier in Riga haben wir ein schönes Zimmer in einer mit Geschmack eingerichteten Pension nahe des Jugendstilviertels. Wie immer in den letzten 14 Tagen gibt es Kühlschrank, Kochgelegenheit  und  Tische und Stühle, so dass wir hier frühstücken können.  Wir könnten auch hier Abendessen- aber dazu sind wir irgendwie zu faul…. Zum Essen gehen wir wieder ins „Lido“ und stellen fest, dass gegrillter Fisch mit Gemüse, Reis und Bier nahezu deutsche Preise hart.

Dann noch Spaziergang mit Rad durch das Jugendstil- Viertel, das zum UNESCO  Weltkulturerbe gehört. Mein Fotoapparat läuft heiß  und ich weiß schon jetzt, dass ich mindestens 2/3 der Fotos löschen muss: das ist wie bei Schokolade, man möchte immer mehr haben, aber irgendwann wird es unverträglich …

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 17

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Wanderung im Tal der Ahja bei Põlva, ca. 20 km

Donnerstag, 7.August 2025

Mein Reiseführer sagt, dass das Ahja Tal bei Põlva mit seinen farbigen Sandsteinfelsen eine Tour wert sei. Und da ich die Idee gut finde, die Wanderung auf Komoot zu finden ist, und sogar ein Bus dorthin fährt, ziehen wir Wanderschuhe an, packen den Rucksack und fahren mit dem Linienbus nach Kiidjärve zum Ausgangspunkt der Wanderung. Die Forstbehörde, der RMK , hat den Weg markiert und ein Besucherzentrum mit Lavazza Kaffeeautomat (Luxus: 20 Sorten Tee, Kaffee und Kakao aufgestellt.

Stausee an der Ahja


Die Wanderung führt am Flussufer an farbigen Sandsteinaufschlüssen mit bis zu 20 m hohen Felsen vorbei. Es geht zunächst im stetigen Auf – und Ab am Stausee und weiter am Fluss entlang. Da wir die Strecke am gegenüber liegenden Ufer zurückgehen, können wir die Felsen mal von unten im Tal und mal von oben von der Klippe aus beobachten.

Alle diese Felsen sind mit Mythen verknüpft: Seeungeheuer, goldene Jungfrauen und Metsavana, der Urgeist, der über die Natur wacht, bewohnen die vielen Höhlen oberhalb und unterhalb des Wasserspiegels.
Nach 6,5 Stunden und knapp 20 km sind wir über gut markierte, teils schmale Pfade zurück an der Bushaltestelle.

Hier sollte der Bus abfahren!

Da erfahre ich den speziellen Moment, den man eigentlich nicht braucht: der ausgewählte Bus um 17.00 fährt nur am Wochenende! Der nächste Bus kommt um 20.15 … Keine andere Verbindung weit und breit verfügbar. Sagt Mr. Google.

Was tun?
Daumen raus hat zunächst wenig Effekt, wir gehen zum Parkplatz zurück. Viel los ist hier nicht. 5 Autos parken dort. Da sagt Dagmar: „guck mal, der da losfährt, der hat ein französisches Nummernschild!“ Ich stürze auf den Lieferwagen zu, der Fahrer lässt die Seitenscheibe runter und seine Frau und er sind bereit, uns nach Põlva mitzunehmen. Sie zieht für die 15 km bis zum Ort in den Campingteil des Lieferwagens um. Die beiden stammen aus Montargis bei Orléans und waren gerade in St. Petersburg. Heutzutage!

Põlva

Wir laden die beiden zu einem Bier ein und essen in Põlva Pizza bei einem kühlen Getränk: sie ist begeistert von russischer Literatur und die beiden wollten deswegen unbedingt St Petersburg sehen. Auf dem Weg besuchten sie das große Folkfestivsal in Viljandi, ein Rockmusical über Odysseus in der Seeto- Sprache…. spannend. Dafür muss man- wie die beiden- als Rentner viel Zeit haben!
Um 20.00 geht es dann unproblematisch nach Tartu zurück. Eine Stunde (50km) Busfahrt kostet 2 € ….

Karte und Track der Wanderung

Wanderung im Tal der Ahja

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 16

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Estnisches Nationalmuseum

in Tartu

Mittwoch, 6.August 2025


Schlafen hilft manchmal bei Entscheidungen: wir werden also hier in Tartu die Radtour beenden, uns heute diese schöne Universitätsstadt etwas genauer ansehen, morgen in einem als besonders schön beschriebenen Flusstal im bergigen Süden wandern (Anfahrt mit dem Linienbus) und dann am Freitag mit dem Schnellbus zurück nach Riga fahren. Bei diesem vor allem bestand das Nadelöhr: Fahrradplätze waren nur noch in wenigen Bussen verfügbar. Glücklicherweise kann ich hier in Tartu ein Appartement im gleichen Haus direkt neben unserer momentanen Unterkunft für die nächsten zwei Nächte buchen, so dass wir unser Gepäck heute nicht mitzuschleppen brauchen.

Wir beginnen mit einem Gang durch den Botanischen Garten – tolle Blumen – allerdings helfen mir Erklärungen in estnisch und Latein nur rudimentär weiter. Dagmar kennt sich deutlich besser aus – ich muss mich auf Flora incognita verlassen, das jedoch bei dem immer noch nicht guten Internet (liegt es an meinem Netzanbieter oder an meinem Smartphone?) nur rudimentär funktioniert.

Danach fahren wir die kurze Strecke zum estnischen Nationalmuseum. Schon architektonisch ist der Bau faszinierend (das Stein gewordene Selbstbewusstsein eines Staates). Im Innern: ich habe noch nie eine so gut animierte Ausstellung gesehen. Mit dem Museumsticket kann ich alle Erklärungen in meiner Sprache abrufen. Das funktioniert außer auf deutsch zumindest noch auf estnisch, russisch und englisch.

Es geht im Eingangsbereich um die Revolution von 1989, die Proteste gegen Umweltsünden, die sich ausgeweitet haben, die Menschenkette durch alle baltischen Länder (ich erinnere mich noch daran!) – alles audiovisuell gestaltet.

zur Finno-ugrischen Abteilung

Und die Animationen haben keine Bugs! Es geht auch um Staat und Religion: Estland ist das Land Europas mit dem geringsten Bevölkerungsanteil, der sich einer Kirche zugehörig fühlt- sich gleichzeitig aber als religiös empfindet und dabei an naturreligiöse Phänomene denkt.
Im weiteren Sektionen werden die verschiedenen historischen Phänomene und aktuellen Aspekte estnischer Kultur und estnischen Lebens betrachtet: z.B wird der ungewöhnliche Gesang der estnischen Landbevölkerung, Runengesang genannt, mit Hörbeispielen beschrieben. Faszinierend‚ es ist eine Polyphonie, die mich an die korsischen Gesänge erinnert.


Das Museum schlägt aber den Bogen noch weiter und beschreibt die Verbindungen der estnischen Kultur zu den übrigen finno- ugrischen Kulturen bis zum Ural…

Schon vor dem Museumsbesuch hatten wir uns mit leckerer Pasta im angegliederten Café gestärkt, und jetzt nach dem Besuch hatte ich Appetit auf eins der leckeren Tortenstücke (Schichtkuchen!), die ich in der dortigen Auslage gesehen hatte. Ich will gerade den ersten Happen mit Genuss essen, da fragt mich Dagmar, aus was die rosa Deko auf meiner Torte besteht – und die Deko selbst sähe doch etwas nach Hering aus….. Ich esse …. das Feeling ist unbeschreiblich, wenn man ein süßes Stück Kuchen erwartet und auf einmal Hering, dunklen Teig, Spinatcrème und Senfcrème kaut. …

Danach muss das Spielkind (ich) noch in das auf der anderen Straßenseite liegende umgekehrte Haus. Ich finde es total lustig, probiere Posen und Fotomotive aus – alles steht Kopf. Ich glaube Dagmar findet das alles vor allem albern…. Zum Ende des Tages noch kurz zum Coop: 5 Minuten Fahrrad und in der Wohnung Abendessen mit Brot, Salat und Bier. Jetzt schreib ich noch Blog und gehe (Mitternacht) dann schlafen. Gute Nacht!

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 15

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von Varnja nach Tartu, 56 km

Dienstag, 5.August 2025

Heute geht’s nach Tartu, das bis zur Unabhängigkeit Estlands 1918 ‚Dorpat‘ hieß. Tartu ist die zweitgrößte Stadt des Landes, alte Universitätsstadt: von König Gustav Adolf von Schweden gegründet,  war sie die erste Universität Nordeuropas, bis Ende des 19. Jhs wurde auf deutsch gelehrt – selbst unter russischer Herrschaft. Erst nach der Gründung der estnischen Republik 1918 wurde estnisch die Unterrichtssprache.

Wir fahren von Värnja so gegen 8.30 los  – zunächst noch ein paar hundert Meter nach Süden:ab hier geht es überhaupt nicht mehr weiter, jetzt beginnt das riesige Sumpfgebiet im Mündungsdelta des Emajõgi. Hier, am Ende der Welt ist ein Turm – ich dachte zunächst zur Vogelbeobachtung, sah dann aber sehr schnell, dass sich hier ein Posten der Grenzpolizei mit Schnellboot  und Beobachtungsturm befindet.

Wir fahren flussaufwärts parallel zum Emajõgi, ohne den Fluss zu Gesicht zu bekommen. Dann biegt die Straße nach Kovastu ab, von wo aus es eine Fähre ans andere Ufer geben soll. Leider ist die Fähre in diesem Jahr außer Betrieb. – Hätte man vielleicht irgendwo schreiben können –  ich hatte es zwar auch im Internet gelesen, jedoch ohne Straßenschild nicht geglaubt. Besonders geärgert habe ich mich allerdings nicht, es war ein guter Picknick- und Badeplatz.

Fie Fähre ist außer Betrieb, aber zum Schwimmen ist der Ort gut geeignet…

Nur noch wenige Kilometer bei Gegenwind und immer mal wieder bergauf und wir kommen in Tartu an. Ich habe über Booking in der Altstadt gebucht, so dass die Wege zum pittoresken Rathaus, der Universität und vor allem der Johanniskirche nicht weit sind.

Diese gotische  Backsteinkirche hat es mir angetan. Sie war komplett zerstört, und wurde in den letzten Jahren wieder aufgebaut. Hierbei hat man versucht, möglichst viele der noch vorhandenen, initial etwa fünftausend, Terrakotta Figuren zu rekonstruieren. Jeder der Köpfe war einzeln modelliert – individuell, nicht gegossen. Absolut fantastisch!

Noch zum Essen (mittelprächtig) bei einem kleinen Chinesen und Spaziergang auf den Domberg zu den Ruinen der ehemaligen Kathedrale mit angrenzendem Park. Der hier in Estland in den letzten Tagen übliche Regen zum Abend – heute mit kräftigem Gewitter – treibt uns zurück in unser „Luxusapartment“ (2 Zimmer, Kochgelegenheit, großes Badezimmer).

Am Abend bis in die Nacht hinein sitze ich vor der schwierigen Aufgabe, die nächsten Tage sinnvoll zu planen: unsere Leihfahrräder mit den nur rudimentär funktionsfähigen Gangschaltungen halte ich für nicht mittelgebirgstauglich, womit die Wege nach Süden weitgehend ausfallen. Die Bahnstrecke Richtung Südosten ins Seeto- Gebiet hat seit gestern Schienenrsatzverkehr – also ohne sichere Fahrradmitnahme. Dann sind bei weitem nicht für alle Züge bzw. Busse Fahrradplätze verfügbar  – aber ich möchte natürlich auch die restlichen Tage möglichst interessant verbringen. Quadratur des Kreises….. Ich geh jetzt ins Bett, morgen ist auch noch ein Tag. Dieses schwierige Problem wird erst morgen gelöst

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 14

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von Mustvee nach Varnja entlang des Peipus – Sees, 58 km

Montag, 4.August 2025

Gestern hatte unser Hotel Ruhetag und so genießen wir das  Frühstück wieder aus der Tupperdose. Glücklicherweise haben fast alle Hotels Wasserkocher für Tee !

Wir wollen nach dem Einkauf im Coop erstmal  Fahrradfahren und fahren so durch die kleinen Straßendörfer der Altgläubigen den Peipus-See  entlang.

Nach 25 km finden wir einen schönen Badestrand in Kallaste. Das Wasser des Sees ist warm, man hätte hier durchaus noch länger versacken können …

Wir fahren an einem kleinen Restaurant  – eher Snack – vorbei, vor dem rauchende Räucherofen stehen: wir bestellen den gerade frisch  geräucherten Fisch – eine  Brasse – und bekommen sie mit gebratenen Ofen- Kartoffeln und Salat serviert. Sehr, sehr lecker ! Der Wirt ist gleichzeitig Fischer und stammt eigentlich  aus  St. Petersburg.

In Kolkja befindet sich ein kleines Museum der Altgläubigen,  die hier am Seeufer seit etwa 300 Jahren leben. Ich möchte mehr über diese Religionsgemeinschaft erfahren und so gucken wir uns das Museum an.

Kirche der Altgläubigen in Värja – hier ist es eine Kirche, meist aber Gebetshäuser ohne äußerlich sichtbare Symbole, die auf eine Kirche hinweisen

Die Altgläubigen wollten eine Reform  der russisch orthodoxen Kirche um ca. 1750 nicht mittragen und  mussten deswegen Russland verlassen. Sie haben sich dann u.a. am Peipus-See angesiedelt. Da das Land oberhalb des Sees von den Gutsbesitzern beansprucht  wurde, mussten sie auf das sumpfige Seeufer ausweichen und haben auch deswegen in Straßendörfern gesiedelt. Die Kirchen sind unscheinbar: eine Bedingung  des Zaren.

Der Grund für das Schisma scheint mir banal: es ging vordergründig  darum, ob man das Kreuzzeichen mit 2 oder 3 Fingern  macht, und ob eine Prozession im oder gegen den Uhrzeigersinn gelaufen wird. Aber vielleicht ging es eher darum, ob sich die  russische Gesellschaft nach Westen (auf die griechisch-orthodoxe Kirche hin) hin orientieren soll, oder ob man lieber weniger Außenkontakte haben möchte. Ich hatte Glück, dass gerade auch eine deutsche Reisegruppe mit russischsprachiger Leitung anwesend war, die der selbst zu den Altgläubigen gehörenden Museumsführerin Fragen – und Nachfragen!  gestellt hat.

Vor dem Gewitter haben wir es noch zu unserem  Häuschen am Ende der Welt geschafft. In Varja endet die Straße an einem großen Sumpfgebiet, dem Mündungsdelta des Emajogi.

Ein ganzes 1 Zimmer Ferienhaus

Hier bewohnen wir ein 1- Zimmer Blockhaus,  mit Außen – Plumpsklo, Strom, aber ohne Dusche. Trinkwasser gibt’s aus dem Kanister, ansonsten kommt Brauchwasser aus dem Hahn. WLAN gibt es – wenn man sich unters Fenster des Haupthauses stellt – ansonsten Fehlanzeige: da steht ein kräftig  belaubter großer Baum dazwischen  …. Aber wir haben eine Sauna,  die  wir  heute auch nutzen.  Allerdings – keiner hat uns erklärt,  wie man sich in einer estnischen Sauna abkühlt und nachher wäscht (so ohne Dusche)…. Wir haben kreative Lösungen  gefunden  ….

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 13

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Rakvere Ordensburg

von Palmse nach Mustvee, 105 km

Sonnntag, 3.August 2025

Eigentlich hatte ich geplant, den Weg zum Peipus- See mit Zug und Bus zurückzulegen. Aber die Verbindungen sind nicht gut aufeinander abgestimmt, so dass wir erst am Abend in Mustvee angekommen wären. Und dann können wir genauso gut Fahrrad fahren.

Unser Hotel- Restaurant in Palmse


In unserem B&B gibt es hervorragendes Frühstück, so dass wir uns gut gestärkt auf den Weg machen. Schon nach einigen Kilometern allerdings der erste Halt: eine Storchenfamilie im Nest!


Danach wollte ich eigentlich die vierspurige Schnellstraße – wie in der Karte verzeichnet – wieder ebenerdig überqueren. Hierzu haben wir mit den Rädern schon mal die Autobahnauffahrt genommen. Den Übergang gibt es es aber nicht mehr, so dass wir ungefähr 10 km auf dieser Schnellstraße gefahren sind. So kommen wir zumindest zügig nach Rakvere ….

Etwas unfreiwillig auf der Autostraße


In Rakvere gibt’s heute keine lange Besichtigung. Ein paar schnelle Aufnahmen von der Burg und vom Ort und dann geht’s weiter: es sind mehr als 100 km!

Wir fahren die glücklicherwrise nur mäßig befahrenen Hauptstraßen, um direkter und schneller vorwärts zu kommen. Das ist bei den hier schmalen Seitenstreifen zeitweise ziemlich anstrengend. Glücklicherweise sind die estnischen Autofahrer sehr respektvoll gegenüber Radfahrern: die Abstände beim Überholen werden fast immer eingehalten und am Sonntag sind kaum Laster unterwegs.

Kleines Museum, das eine industrielle Trommel zeigt, um Samen aus Kiefernzapfen zu trennen. S
Außerdem gibt’s Trinkwasser und tolles Eis

In einem kleinen RMK (Forstbehörde, die auch die Wanderwege, Campingplätze und viele kleine Museen betreut) picknicken wir und essen Eis zu Mittag – lecker !!
In Mustvee buche ich in einem kleinen Hotel und – da um 18.00 alle Restaurants geschlossen sind -gibt es wiederum Abendessen aus der Tupperdose mit den Einkäufen aus dem Coop: der Supermarkt ist nämlich auch am Sonntag bis 21.00 geöffnet.
Zum Picknick dann bei immer noch warmen Temperaturen an den See: ich fühle mich wie am Meer- das gegenüberliegende Ufer in Russland kann man von hier nicht sehen.

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 12

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Gutshof Sagadi

von Vōsu nach Palmse, Wanderung bei Käsmu, 36 km mit dem Rad, 8 km zu Fuß

Samstag, 2.August 2025

Wir sind heute nur ganz wenig Fahrrad gefahren! Nach dem Frühstück im Hostel (wie immer- selbstgemacht) ging es ca. 6 km zurück nach Käsmu.

Dort war der Ausgangspunkt einer Wanderung  durch ein Gebiet, das mit Findlingen übersät ist: zunächst führte der Weg am Meer entlang,  zurück ging es durch den Wald. Der Tierreichtum ist beeindruckend: große Mücken,  kleine Mücken, Bremsen…. aber es gab auch ganze Kolonien von Schwänen, Kormorane und Schmetterlinge …. 

Unserem leiblichen  Wohl konnten wir dabei mit Blaubeeren frönen. Zurück in Vōsu haben wir unsere Vorräte im Coop aufgefüllt, Picknick in der Sonne am Hostel, dann an dem alten  Fischerdorf Altja vorbei (heute nur noch für Touris) zu den Gutshöfen Sigulda und Palmse.

Gutshof Palmse

Von da aus einige hunder Meter weiter zu unserem nahe des Gutshofs gelegenen Hotels, das ich beim Mittagspicknick gebucht habe. Als Radfahrer waren wir dort wohl gelitten. Der Chef ist Deutscher, seine Frau Russin, spricht perfekt deutsch. Wir haben uns mit ihr lange über Politik und estnische Gesellschaft unterhalten: die konservative Regierung hat gerade die russischsprachigen Schulen der russischen Minderheit geschlossen, was zu Problemen führt, da es nicht genügend estnisch sprechende Lehrer gibt …. . Auf Narva angesprochen, konnte unser Wirt die Einschätzung einer schlechten Stimmung in der Stadt nicht nachvollziehen: Narva sei eben der (fast) einzige noch geöffnete Grenzübergang nach Russland mit immensen Wartezeiten.

Das war  in meiner Erinnerung das erste intensivere Gespräch mit Einheimischen in diesem Urlaub – allerdings mit einer Russin und einem Deutschen und keinem gebürtigen Esten …

Nach hervorragendem Essen im  Restaurant des B&B (Fisch mit Safransauce und Eis mit Karamellsauce zum Nachtisch), haben wir noch ein paar Kitsch – Fotos in der Abendstimmung  im Park des Gutshofs und beim Sonnenuntergang am Hotel gemacht. Echt schöner Tag.

Wanderung zu den Findlingen bei Käsmu

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 11

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von Soorenna nach Vōsu, 70 km

Freitag, 1.August 2025

Ich wache erst gegen 8.00 auf, obwohl ich vor 23.00 das Licht ausgeschaltet habe. Nach Frühstück und dem Satteln unserer Alurösser  ist es fast 9.30. Aber Dagmar und ich haben unsere (ähnlich aussehenden) Drahtesel vertauscht- also erneut Packtaschen runter und wieder drauf…  Dann schleift Dagmars Bremse.

Es ist fast 10.00, als es endlich losgeht. Wir fahren bis Löksa am Rand des Lahemmaa  Nationalparks, quasseln lange mit einem französischen Radelpärchen: sie haben im letzten Jahr in Vilnius gelebt und sind den Iron Curtain Trail  gefahren. Auch sie berichten über schwierig zu fahrende grob geschotterte Straßen im östlichen Lettland.

Dann noch den guten Lavazza-  Kaffee vom Automaten und ab in den Supermarkt. Irgendwie kommen wir heute nicht vorwärts…

Die  Dörfer in Estland sind gewöhnungsbedürftig: verstreut liegende meist eingeschossige  Holzhäuser mit manchmal einem Supermarkt und einer Bushaltestelle in der Mitte. Das war‘s. Kirchen sind – wenn überhaupt  – kleine Gebetshäuser irgendwo verstreut und auch Schulgebäude sind mir in den Dörfern kaum aufgefallen. Schulzentren sind zentral gelegen und relativ groß – bei insgesamt nur sehr geringer Bevölkerungsdichte..

Der Lahemmaa Nationalpark besteht vor allem aus  Wald (links sind Bäume, rechts sind Bäume, in der Mitte Zwischenräume…). Wenig Autos, aber reichlich monoton zu fahren. Etwas spannender (weil ab und zu mit Blicken aufs Meer) ist der Eurovelo, dem wir über die nächste Landzunge folgen: zunächst vorbei an alten sowjetischen Industrieanlagen, weiter nördlich Reste von russischen Militäranlagen, dann aber auch schöne Blicke auf die Küste. Bei einem Fotostopp Gespräch mit einer Französin, die mit dem Auto unterwegs ist, und über die drückende Atmosphäre und fehlende Gastfreundschaft in der russisch geprägten Grenzstadt Narva berichtet. So weit nach Osten wollte ich auch gar nicht  – ich hatte bei der Vorbereitung Ähnliches gelesen.

An der  Nordspitze  haben wir noch einen Spaziergang zur Vogelbeobachtung gemacht und wollten eigentlich noch auf der nächsten Landzunge wandern.  Aber nach dem Picknick ist es zu spät, so dass ich im nächsten Ort in Vōsu in einem Hostel (Metsi) buche: wahrscheinlich ein altes Ferienheim, das mit modernen  Sanitäranlagen verbessert wurde. Ganz in Ordnung mit netter familiärer Führung.

Das mit dem  Internet ist hier auf dem Land allerdings ein Problem: ich habe nur ganz selten und dann sehr schlechtes Netz- schwierig für spontane Planung von Restaurants und Übernachtungen …

Zum Abendessen muss ich alleine gehen- Dagmar hat keinen Hunger und möchte sich ausruhen. Ich finde einen Snack, der um 20.30 noch geöffnet hat – und es gibt sehr leckeren, frischen Borschtsch (der beste, den ich je gegessen habe!) mit ganz viel gekochter roter Beete. Dazu warmes Graubrot und lokales Bier vom Fass. Köstlich!

🚴 rund um Estland und weiter bis Riga: Tag 10

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von Tallinn in den Wald bei Soorinna, 70 km

Donnerstag, 31. Juli 2025

Nach dem estnischen Standardfrühstück aus der Tupperdose (etwas aufgehübscht mit 2 selbstgekauften  Marmeladen und Kaffee mit Trockenmilchpulver, gestiftet vom Hostel) fahren wir zum Villenvorort Kadriorg. Dort werfen wir einen Blick auf das Schloss und fahren ein paar  hundert Meter weiter zu einem  ganz modernen Museumsbau‚ dem KUMU (estnisches Kunstmuseum). Zunächst fand ich es keine ganz so gute  Idee, den Vormittag im Museum zu verbringen  – aber es ist wirklich spannend, die Entwicklung der estnischen Kunst zwischen dem 19. Jh und der heutigen Zeit zu erleben. Vor allem gab es im ersten  Saal eine hochinteressante Einführung in die estnische Geschichte in Form einer Videoinstallation  mit verschiedenen Sprechern: u.a. einem Politiker, einer Kunstprofessorin und einer Geschichtsprofessorin. Sehr empfehlenswert  – so wird die Ausstellung erheblich verständlicher!

So gegen 12.30 sind wir dann Richtung  Lahemmaa Nationalpark unterwegs. Schon nach 10 Minuten erste Pause: Sandstrand und Meer ! Wir packen unsere Badeanzüge  aus…

Bei der Weiterfahrt sehen wir die  – höchst fotogene – Gewitterwand in genau der Richtung, in die wir fahren …. Die Blitze sind beeindruckend, der Donner lässt sich aber ziemlich Zeit, so dass wir es wagen weiterzufahren. Mulmig ist mir trotzdem.

Den Gewitterschauer warten wir dann im Vorraum eines Supermarktes ab.

Ja, an der Lärmschutzwand der Autobahn kann man es deutlich sehen: es ist der richtige Weg des Eurovelo !

Einige Kilometer später traue ich meinen Augen nicht: der Eurovelo (der Ostsee- küstenradweg) soll die Autobahn ebenerdig queren! Wir nehmen unsere Beine (und Fahrräder)  unter den Arm und rennen los !

Da wir heute Abend in unserem abgelegenen Häuschen, das ich gerade über Booking gebucht habe, kein Abendessen bekommen werden, nutze ich die Kaffee – und Aufwärmpause in einer Tankstelle an der Autobahn dazu, mir Fritten, Döner  und Salat zu bestellen.

Frisch gestärkt geht es zum Jägiala Wasserfall, der -im Frühjahr bei der Schneeschmelze sicher noch viel  eindrucksvoller als jetzt – über eine Länge von ca. 100 Metern wie ein Vorhang ca 10 m in die Tiefe stürzt.

Über die alte Poststaße von Narva nach Tallinn geht es nach Osten bis zu unserem Häuschen  mitten im Wald:

es ist ein ganz modernes Tiny Haus, dessen Schlafraum durch Glasfronten den Eindruck erweckt, mitten im Wald zu schlafen.  Wir hätten  auch eine Sauna zur Verfügung gehabt …